Und dann ist es passiert…

…und der Sommer ist vorbei.

Letzte Woche hatte ich Spätschicht, erst von Berlin nach Nizza und zurück, anschließend noch nach London und wieder nach Berlin. Langer Tag, weit über 12 Stunden und das zwei mal über Berlin, den berüchtigten Abflugverhinderungs-Flughafen von Drecksloch-City. Natürlich hatten wir schon beim ersten Abflug über ‘ne hour Verspätung, was sich schlecht auf unsere maximal zulässige Flugdienstzeit auswirkte, aber auch die berüchtigte Curfew Thematik aufbrachte. Der internationale Flughafen der Hauptstadt Deutschlands erlaubt nämlich keine Landungen nach Mitternacht - keine Ausnahmen. Ach doch, der Microsoft Fuck up vor paar Wochen führte zu einer einmaligen Sonderregelung für die Airlines. Es kam wie es kommen musste, auf dem Rückweg von Nizza wurden wir darüber informiert, dass Sektor 3 & 4 gestrichen wurden - für die Passagiere tut mir das leid, aber uns sind da die Hände gebunden, ohnehin tut mir jedes Lebewesen leid, welches eine Reise am BER antritt oder beendet.

Wir als Crew gehen dann nicht einfach nach Hause sondern machen Flughafenbereitschaft. Wir hängen also ab und müssen, so denn die Firma anruft, innerhalb von 15 Minuten am Flieger sein. Ich entschloss mich, die Zeit draußen auf dem Vorplatz des Flughafens, dem sogenannten Willy-Brandt-Platz, wie ein Penner auf einer Bank abzuhängen. Dieser Platz muss der ganze Stolz eines kompletten Designbüros voller zugekokster Architekten sein, hands down bitches, wenn ihr noch nie suizidale Gedanken hattet, gebt euch diesen Platz und blickt dem Lebensende gelassen entgegen, ich schwör.

Hör ich mich gestresst an? Ja, ich bin es. Vollzeit arbeiten, Photography, drei Kinder, pregnant wife, keine aupair mehr, Blog, Podcast, Sport, Reparaturen am Haus and the list goes on. Ich habe in den letzten Wochen probiert Stellschrauben zu finden, vielleicht ein zwei Kinder zur Adoption freigeben, vielleicht weniger Sport, aber das ist es alles nicht, also habe ich wie jeder normale Deutsche den Frust in Alkohol ertränkt und jetzt Spaß beiseite, ich habe wieder Teilzeit eingereicht. 71,6%. Sieben Tage arbeiten, gefolgt von sieben freien Tagen - der Himmel auf Erden. Drückt mir die Daumen, dass ich es bekomme.

Ich sitze also auf Willy seinem Platz, es ist 19:00 Uhr und es ist warm. Unüblich warm für Anfang September. Es ist schön. Allen ist klar, dass das der letzte Sommerabend in Berlin sein wird für 2024, wieder ein Sommer vorbei, ein Sommer weniger in unserem Leben, ein für mich schöner Sommer mit knapp drei tollen Urlauben mit meiner Familie, ein paar beruflichen Trips mit vielen Fotos und Erinnerung und auf einmal wird aus Melancholie Dankbarkeit. Dankbarkeit, dass ich das erleben darf, dass ich gesund bin und das meine Kinder es sind.

Ich habe in diesem Sommer wieder zur analogen Fotografie gefunden, aber auf eine andere, leichtere Art, habe erneut durch dieses vielseitige Hobby ein paar neue, spannende Menschen kennengelernt, mich von toxischen getrennt und ich habe mich entschuldigt, bei denen, den ich Unrecht tat.

Irgendwann ist der Bereitschaftsdienst vorbei und ich radel im Hemd nach Hause. Es ist immer noch warm. Ich fahre durch Waßmannsdorf über Kleinziethen Richtung Neukölln, wo ich am Stadtrand lebe. Es duftet nach Herbst. Nicht alles ist perfekt gelaufen, vielleicht nicht mal die Hälfte, wahrscheinlich bin ich öfters schwer- als leichtmütig gewesen in den letzten drei, vier Monaten, aber jetzt gerade atme ich die warme Luft ein letztes Mal ein, diese Luft, die nur minimal kälter ist als Körpertemperatur, und alles ist gut, Die Felder sind abgeerntet, stoppelig, teils gepflügt oder zwischenkultiviert, es ist so dermaßen kurz vor Herbst und doch steht die Zeit für diese acht Kilometer lange Heimfahrt still.

Zuhause angekommen lege ich mich ins Bett. Nach sechs Stunden wache ich auf und gehe auf die Veranda. Die Temperatur ist über Nacht um knapp 20 Grad gefallen und es regnet aus niedrig hängenden Nimbostratus Wolken.

Bis nächstes Jahr, Sommer.

Cinestill800T










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