Pentax 67 vs. Mamiya 7

Kennt ihr diesen einen Tag am Ende eines langen Winters, an dem man morgens aus dem Hause geht und den Frühling einatmet? Die Luft ist angenehm kühl, aber nicht kalt, sie wirkt reingewaschen durch die langen, grauen und feuchten Tage und es fühlt sich nicht mehr nach Übergangsjacke sondern nach Hoodie oder Jumper an.

WANN KOMMT DIESER VERSCHISSENE TAG ENDLICH?

Ja okay, I get it, according to Instagram konntet ihr alle schon wieder euren lieblosen und repetitiven Kirschblüten-Cringe droppen und saßt auch schon wieder beim Aperol Up-Spritz an irgendeinem Ufer irgendeines Szene-Bezirks in der Hauptstadt gemeinsam im Sonnenuntergang, pitchen. liken, sharen oder gar mit ein paar Ho’s auf einem Boot draußen gewesen? Whatever rocks your - genau -boat.



Aber jetzt mal real talk, ich war heute morgen bei vier Grad joggen. 4. VIER. Das ist mir zu wenig Ende Mai. Ich bin hier natürlich nur am Stadtrand von Berlin, im Prenzlauer Berg ist es vielleicht ein paar Grad wärmer gewesen, ganz besonders dort, wo sich ein paar Obdachlose ihre runzligen, offenen Hände an der Glut eines abgefackelten Tesla’s wärmen, aber es bleibt einfach das Gefühl:

Es will nicht richtig was werden mit der Outdoor season.

Währenddessen kämpfe ich mit einer fürchterlichen Schreibblockade. Was wollte ich alles dokumentieren in Wort und Schrift und was ist daraus geworden?

NÜSCHT.

Bis ich gestern die neueste Folge des ISO400 Podcasts gehört habe. Die ist noch gar nicht draußen, aber Menschen wie ich, die Flo und Arthur mit ihrer sauer verdienten Kohle bewerfen, dürfen sich das als Patreons schon ein paar Tage eher reinziehen.

Nebst den ganz normalen Influencer-Problems der beiden (Fitness, Siebträger, Smarthome) wurde natürlich auch über Fotografie geredet und unter anderem auch über die Pentax 67. Jetzt mal kurz ernsthaft; es hat wirklich Spass gemacht, danke Arthur und Flo. Die ganze Folge könnt ihr hier hören,

Und da war er wieder, der Funken, den ich brauchte, um zu schreiben.

Let’s go, Freunde:

Pentax 67

Wenn Du eine Pentax 67 besitzt, dann bist du es gewohnt, die Blicke auf dich zu ziehen. Du trägst Cowboy-Boots nicht weil sie bequem sind, sondern auffällig. Aufmerksamkeit zu erregen, ist dein Hobby. Eine Pentax 67 strahlt Selbstvertrauen und Zuversicht aus und trotz der immensen Größe wirkt sie elegant. Diese Kamera ist keine seelenlose Knipse, sie ist ein Statement, ein modisches zugleich. Wenn Du mit einer Pentax 67 den Break room eines Coworking-Space in Berlin - Mitte betrittst, dann wird nicht nur Monika und Bärbel aus Baden-Württemberg klar, dass du zweifelsfrei ein echter Fotograf und stahlharter Ficker bist.

Vor deiner Linse werden nicht nur die zickigsten Models zu handzahmen Katern und/oder Kätz/Innen, sogar die Berge drehen sich für dich ein bisschen mehr ins Licht, solltest du mal wieder Landscape machen. Der Spiegel der Pentax 67 schlägt härter zu als Will Smith bei den Academy Awards und schon der Anblick dieses Monsters von Kamera läßt den wachs-artigen Oberarm eines average - film - joe’s vor Ehrfurcht zittern. Einen Film in die Pentax 67 einzulegen verlangt das Geschick eines Sushi-Chefs, der Kugelfisch servieren darf und trotz marginal verbauter Elektronik kann ein Diplom in Raketenwissenschaft nicht schaden. Und dann die Sucher. Das ist kein Guckloch, das ist ein Fenster zur Welt.

Die Pentax 67 kommt aus einer anderen Zeit. Da durfte dein dummer Vater sich noch sein Sonntagshemd mit Zigeunersauce bekleckern, während du an Fasching schwarz angemalt als Mogli in die Schule gegangen bist. Anders aber als längst überfällig gewordene, gesellschaftliche Veränderungen, geht der Zahn der Zeit an der Pentax scheinbar vorbei. Ein paar Fussel im Sucher, ein bisschen Patina hier, ein paar Kratzer dort, aber im Endeffekt funktioniert alles wie je her. Die Pentax 67 ist ein Arbeitstier, welches bereit ist, mit dir gemeinsam Geschichte zu schreiben.

Mamiya 7

Du betrittst mit deiner Mamiya 7 um die Schulter geschwungen einen Pop-Up Coffeeshop in Berlin-Mitte. Deine Hose ist etwas zu kurz, die Sneaker zu groß und du hast die Aura eines Schuljungen mit Schnurrbart und unreiner Haut. Man sieht Dir an, dass du mindestens schon einmal öffentlich (online) über deine Anxiety gesprochen hast, ausserdem plagen Dich diverse andere mental issues, aber film photography und Kodak helfen Dir darüber hinweg, so wie die gemeinsame Bro community, der du low key humble aber always sehr dankbar begegnest (das ist der main content deiner stories).

Monika und Bärbel aus Baden-Württemberg bieten Dir einen Platz an ihrem Tisch an, irgendwie triggerst Du Muttergefühle in ihnen, deine Kamera aber haben sie noch gar nicht bemerkt. Du stellst die Mamiya 7 vorsichtig auf den Tisch. Monika und Bärbel denken, es handle sich im eine uralte Digital-Kamera, eine womit Monikas Vater Rüdiger damals Makro - Aufnahmen von Pilzen im Schwarzwald gemacht hat (und heimlich auch Photos von Bärbel, aber das ist bei heute nicht rausgekommen). Sie denken, dass die Kamera zu dir passt und finden es schön, dass du dir so ein friedliches Hobby ausgesucht hat. Sie können sich nicht vorstellen, dass man mit so einer Kamera ernsthaft fotografieren kann.

Das Design der Mamiya 7 könnte von Fisher Price stammen, vielleicht tut es das sogar, schließlich war damals Industriespionage ein ganz heißes Thema. Die Kamera wirkt nicht wertig. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Drehen und wenden, sollte man die Mamiya 7 allerdings sehr bedacht, denn alles an dieser Kamera ist sehr empfindlich. Der Messsucher ist noch fragiler als dein von Daddy Issues geplagtes Selbstwertgefühl. Auf einem Foto Walk soll es passiert sein, dass die Druckwelle des Spiegelschlags der Pentax 67 den Messsucher einer Mamiya 7 völlig de-justiert hat.

Drückt man den Auslöser fühlt es sich an, als würde man ein Würstchen in eine Turnhalle werfen. Der Verschluss macht das gleiche Geräusch wie der kleinwüchsige Maultrommler einer mexikanischen Mariachi Band - kaum zu glauben, dass nach diesem äußerst peinlich-deprimierendem Sound tatsächlich eine Belichtung auf dem Film stattgefunden hat. Den Plastiksucher würde ich an dieser Stelle eigentlich ungern als Sucher beschreiben. Dort durchzuschauen ist ungefähr so einladend, wie durch ein Loch auf Hüfthöhe in der Wand einer öffentlichem Toilettenkabine zu luschern. Bis vor kurzem dachte ich, dass die roten Leucht-Dioden im unteren Bereich des Suchers eine Art Battery-check seien, neulich habe ich aber mit ganz viel Fantasie dort tatsächlich Auslösezeiten erkennen können. Es ist halt alles nicht sonderlich advanced bei dieser transportablem Allzweckwaffe.

Das Glas

Am Ende ist das aber alles egal, das Licht muss durch die Linse auf den Film. Mamiya Objektive sind fucking fantastisch. Ich habe eine Mamiya 645 pro besessen mit Sekor N Objektiven, mega preiswert (und modern, sie wurden bis Anfang 2000er produziert) krasse Abbildungsleistung, mein Einstieg ins Mittelformat. Ich habe Z-Objektive für die RZ67 verwendet und jetzt eben eine 65mm N-Linse für die Mamiya 7. Mamiya Glas ist einfach toll, da gibbet nix zu meckern. Schaut euch mal auf Instagram “Mamiya ruined everything an”. Die Ergebnisse, die aus diese Fisher Price designten Plastik Knipse rauspurzeln sind second to none. Sie strahlen dich an, wie meine vier Monate alte Tochter, wenn ich von der Arbeit komme und sie machen dich glücklich. Die Klarheit in den Fotos ist insane, die Details, der Kontrast, es ist schon alles einfach super schön.

Kodak Gold developed and scanned by UrbanFilmlab

Cinestill800T auf 500 mit 85B Filter dev & scanned by UrbanFilmlab

Ilford HP5 push 1600, HC110, DSLR Scan

Meine Pentax 67 hingegen habe ich eigentlich nur wegen eines Objektiv gekauft: Das Takumar 105/2.4. Jeder, der sich mal in der 67er Bubble bewegt hat, kennt dieses Objektiv. Es ist der Pentax Signature Look. Anders als der einer Mamiya 7, nicht zu vergleichen. Es ist aber auch ein altes Objektiv und wurde zumindest in den ersten beiden Versionen nur bis 1975 gebaut. Der Kontrast ist natürlich ein anderer und sicherlich auch die Schärfe. Aber der Look bei 2.4, wenn Du den Fokus triffst ist nicht von dieser Welt.

Kodak Gold developed and scanned by UrbanFilmlab

Kodak T-Max 100, HC110, DSLR Scan

Kodak Gold developed and scanned by UrbanFilmlab

Kodak T-Max 100, HC110, DSLR Scan

Fazit

Die Mamiya 7 ist als transportable Mittelformat Kamera gebaut worden und deswegen erfreut sie sich ungebremster Beliebtheit. Sie ist eine Reise und Reportage Kamera mit einer extrem angenehmen Nutzerfreundlichkeit, zuverlässigen Automatik-Modi und angenehmer Haptik. Ich verstehe, dass man mit dieser Kamera reisen will. Vielleicht ist sie ein bisschen overhyped, aber von ganz ungefähr kommt der Ruhm eben nicht.

DIe Pentax 67 hingegen ist ein Bolide. Weniger Allzweck, mehr Waffe. Schwer, absolut nicht ergonomisch. Manche sagen, sie gehöre auf ein Stativ in ein Studio. Mein im Prisma verbauter Belichtungsmesser liefert valide Ergebnisse, aber meistens nehme ich doch noch einen externen mit, vor allem wenn ich schwarz weiß fotografiere.

Es gibt hier keinen Gewinner. Dazu sind die beiden Kameras viel zu unterschiedlich. Für manche mag es durchaus Sinn machen, sowohl eine Pentax 67 als auch eine Mamiya 7 zu besitzen. Natürlich ist die Abbildungsleistung der Mamiya 7 nach heutigen Standars “besser”, aber sehnen wir uns noch alle nach etwas Imperfektion in dieser digitalen Welt?

Mein Fazit kann heute nur ein persönliches werden.

Mittelformat bedeutet Zeit für mich. Die ultimative Pause vom stressigen aber ziemlich erfüllten Alltag. Mittelformat bedeutet, dass ich einen prall gefüllten Kamerarucksack mitsamt Stativ, Filtern, externen BeLi und einer Handvoll Filme in meinen Explorer lade und wie ein ein Ost-Deutscher Nick Carver ohne Cowboyhut durch die blühenden Landschaften Brandenburgs fahre. In diesem Augenblick spielen Ergonomie und Haptik keine Rolle mehr. Ich habe Zeit und Platz. Ich liebe ich es in einem verlassenen Gebäude dem Echo des Spiegelschlag der Pentax 67 zu lauschen; noch auf dem Stativ ruhend eine Rolle Ektar 100 in die Kamera einzulegen, weil die Sonne gerade so schön untergeht, Ich habe da kein Eile mit nichts.

Obwohl ich die Pentax auch mal auf eine Reise mitgenommen habe, würde ich das nicht wiederholen wollen. Entweder reise ich beruflich mit Handgepäck oder privat mit der ganzen Rasselbande. In beiden Fällen ist kein Platz für Mittelformat. Weder Pentax noch Mamiya. Ich liebe Kleinbild. 36 Bilder pro Film, eine Rolle am Tag, fertig…

Aber das ist lediglich der jetzige Status quo.

Lang lebe die Pentax 67.

Cheers Hansi





























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Schatz, we need to talk